Guitar Amp Conversion
1947er Philips 2864
Der "Urvater" der Tube Workshop Amps. Als er bei uns ankam war er eigentlich nur ein Häufchen Schrott!
Am Ende wurde daraus der "Blueprint" für zwei weitere TWS-Amps...
Dieser Amp hat vermutlich ungefähr 1947 das Licht der Welt erblickt.
Ein damals hochmoderner Musikverstärker der zwischen gleich 3 Unterschiedlichen Eingangsquellen hin- und herschalten konnte: "Microfoon", "Gramofoon" und "Radio". So verrät es die niederländische Dokumentation zum Amp die man bei www.radiomuseum.org finden kann. Hier findet man übrigens auch einen Schaltplan, der leider mit einem Fehler behaftet war. Ich habe diesen korrigiert und die berichtigte Version dort hochgeladen..
Im Laufe der Zeit haben sich an diesem Amp vermutlich mehrere Elektronikkünstler bezüglich Modifikationen ausgetobt und mich erwartete ein nicht funktionsfähiger "Drahtigel" der auch nicht mehr allzu viel mit der Originalschaltung zu tun hatte.
Rein optisch ist der Philips 2864 eher... naja, sagen wir mal "Rustikal" und "Schlicht". Aber ok, es war 1947... kurz nach dem 2. Weltkrieg. Man hatte ja nichts... Doch halt, eines hatte man damals: Röhren mit Sekundäremission!
Und deshalb steigen wir bei diesem Amp auch mal nicht bei Gehäuse, Netzteil und Endstufe ein, sondern direkt mit der spannenden Vorstufe.
Die Vorstufe
mit der mysteriösen EEP-1 Röhre
"Sekundäremission"... ein Begriff der mir bisher eher als unerwünschter Nebeneffekt in Röhren begegnet war.
"Eine Sekundär-Emission kann unter Umständen dadurch auftreten, dass die Anode zu stark mit Elektronen beschossen wird, wodurch sie selbst Elektronen in die Röhre abgibt, die dann vom Schirmgitter aufgenommen werden."
So die Fachliteratur...
Muss nicht jeder verstehen... Fakt ist: Wir wollen das eigentlich nicht haben da es im Normalfall die Performance der Röhre verschlechtert. Deshalb wurden im Laufe der Zeit auch allerlei Unterdrückungsgitter in Röhren eingeführt (= "Supressor Grid") um diesen Effekt zu minimieren.
Nun gibt es aber eine handvoll alte Röhren die genau diesen Effekt nutzen, provozieren und verstärken um hieraus einen zweiten, phaseninvertierten Ausgang zu generieren. Sprich: Es wurde versucht über Sekundäremission einen Phase-Inverter direkt in die Vorstufenröhre zu integrieren. Eine davon ist die EE-1 bzw. EEP-1 Röhre die im Philips 2864 Verwendung findet.
Sagen wir besser: Verwendung finden sollte...
In unserem Exemplar hatte ein findiger Bastler in der Vergangenheit die EEP-1 basierte Vorstufe durch eine Kombination einer EF40 Pentode und einer ECC40 Doppeltriode ersetzt. Entsprechend wurde auch die Gehäuseöffnung für den P8A Röhrensockel der EEP-1 grob mit der Feile erweitert und ein 8-Pin bzw. Noval-Sockel eingebaut. Somit haben wir zwar 2 tolle, alte, Philips EF40 und ECC40 bekommen... aber keine EEP-1. Damn it!
Ich habe kurz darüber nachgedacht die eingebaute Schaltung zu analysieren und zu verstehen, dies aber nach ca. 10s wieder verworfen. Mein Ziel war es die Original-Schaltung des Amps zu verwenden und diese auf Gitarre anzupassen. Das hieß also den Mutanten-Preamp komplett zu entfernen und dann neu aufzubauen.
Fazit: In die Vorstufe muss wieder eine EEP-1.
Diese hat eine aberwitzig hohe Verstärkung von >100 (wenn man es darauf anlegt) bei gleichzeitig integriertem Phase Inverter durch die Sekundäremission. Eine wahre "Höllen-Röhre". Da wurde alles reingepackt was es damals reinzupacken gab.
Was sagt uns das? Diese Röhre ist ein Sensibelchen und wird sehr anfällig gegen Mikrofonie und mechanische Erschütterung sein (was sie auch tatsächlich ist).
In den Bildern weiter oben seht Ihr, dass die Beschaltung einer EEP-1 mit deutlich mehr Aufwand verbunden ist wie z.B. eine ECC83, die nur eine Handvoll von Bauteile benötigt. Und übrigens war es gar nicht so einfach noch EEP-1 Röhren in gutem Zustand aufzutreiben. Mittlerweile haben wir vermutlich alles aufgekauft was in Europa noch erhältlich war. Das waren genau 6 EE-1 bzw. EEP-1 Röhren. 3 davon noch in NOS Zustand. Hoffen wir, dass in Zukunft noch weitere in irgendwelchen dunklen Kellern gefunden werden und zum Kauf angeboten werden.
Aber zurück zum 2864-Preamp: Wir brauchen keine 3 Eingänge für "Microfoon", "Gramofoon" und "Radio", sondern nur einen für Gitarre mit hoher Impedanz. Hierfür wurde der nicht mehr vorhandene Microfoon-Eingang auf eine Klinkenbuchse umgerüstet und die anderen unnötigen Anschlussterminals wurden entsprechend stillgelegt.
Beim "Entkernen" des Amps zeigte sich, dass quasi alle originalen ERO-Kondensatoren ein Fall für die "Box of Shame" waren da sie sich quasi bereits in ihre Bestandteile auflösten. Die originalen roten "Dogbone" Widerstände hingegen hingegen waren auch nach über 70 Jahren noch Top in Schuss und wanderten somit in die "Box of Fame" und wurden wiederverwendet.
Von vorne herein berücksichtigt wurde dass in der Gitarrenverstärkeranwendung vor der EEP-1 noch eine weitere Verstärkerstufe liegen sollte die das Gitarrensignal und das Volume-Poti buffert. Da wir ja mit dem Amp bereits eine EF40 (sehr ähnlich zur EF86) mit entsprechendem Sockel bekommen haben wurde diese im weiteren Schaltungsdesign verwendet.
Obwohl diese Röhre (genau wie eine EF86) in der Pentoden-Beschaltung über einen sehr hohen Gain-Faktor verfügt wurde sie im 2864 sehr zahm eingesetzt. D.h. Trioden-Beschaltung und ohne Kathoden-Kondensator. Sie sollte weniger Gain als stabile Impedanzverhältnisse für die EEP-1 liefern.
Bezüglich der "Optik" hat ein P8A Sockel für die EEP-1 gut in die "ausgeschnitzte" Chassis-Öffnung gepasst (war ja auch ursprünglich dafür vorgesehen). Die grobe "Feilen-Erweiterung" für die zusätzliche EF40 wurde mit einer "halben" Gummitülle kaschiert und dient als Öffnung für den Grid-Anschluss der EEP-1 der per Schirmkabel und aufgesetzter Kappe erfolgt. Für den Sockel der EF40 wurde eine Gehäusebohrung verwendet die ursprünglich für einen stehenden Filterkondensators des Netzteils vorgesehen war. Da wir eh alle Filterkondensatoren tauschen werden können wir diesen an anderer Stelle unterbringen.
Soweit so gut. Die Kombination der EEP-1 mit der EF-40 Stufe davor stellte sich später noch als hervorragende Kombination heraus. Ich könnte ja jetzt behaupten, dass dies natürlich absolut vorhersehbar und von mir minutiös so geplant war.
Bullshit, manchmal muss man auch einfach Glück haben im Leben... und Dinge die man ausprobiert stellen sich als "Perfect Match" heraus... ;-)
Netzteil
keine Kompromisse.
Der Netztrafo sah zwar etwas mitgenommen aus, hat aber noch in allen Belangen stabile und gute Werte geliefert. Vor allem auch die 4V Heizspannung für die 1805 Gleichrichterröhre. Einen Wert den man heute nicht mehr findet.
Er konnte also Gottseidank im Amp verbleiben (zusammen mit der 1805 Gleichrichterröhre), ebenso die originale Choke im inneren des Chassis.
Die Netzteil-Elkos waren hauptsächlich als stehende Typen im Gehäuse + einem intern per Klemme angebrachten Typ ausgeführt. Dass diese Elkos nach mehr als 70 Jahren ersetzt werden müssen ist klar.
Es stellt sich immer wieder die Gewissensfrage ob man die Original-Elkos aus optischen Gründen im Gehäuse belässt oder diese entfernt und durch moderne Typen mit ähnlichem Formfaktor ersetzt.
In einem völlig unverbastelten und originalen Amp neige ich zu ersterem, sofern es keine mechanischen 1:1 Replikas gibt. Ich tue mich sehr schwer damit einen Amp in absolutem Originalzustand mechanisch zu verändern und Öffnungen aufzufräsen oder Löcher für Halteschellen moderner Kondensatoren zu bohren.
Bei unserem vorliegenden 2864 habe ich mich aber entschieden die originalen Elkos zu entfernen und durch moderne Typen mit Halteschelle zu ersetzen. Hierfür mussten zwar ein par kleinere Löcher für die Schellen gebohrt werden, aber durch die Modifikationen in der Vergangenheit war der Amp sowieso weit davon entfernt "unverbastelt" zu sein. Der Fokus lag also auf bestmöglicher Funktion mit aktuellen Bauteilen ohne dem "Original-Look" sklavisch anzuhängen. Dieses Thema war eh "durch"...
Die Filterung wurde an den meisten Stellen von den originalen 16uF auf 32uF erhöht welches zu mehr Stabilität führt und von der 1805 Gleichrichterröhre noch problemlos verkraftet wird. Zum Einsatz kamen spezielle Filterkondensatoren von TAD die mit einem Durchmesser von nur 25mm die in die vorhandenen Gehäuseöffnungen passen.