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Guitar Amp Conversion

1958er Bouyer 241x

 

Der kleine Franzose.

Ursprünglich als Single-Ended 6L6 PA-Verstärker designt. Mit ein paar Modifikationen gibt der 241x eine tolle Figur als Bedroom-Amp für Gitarre ab.

Dieser Amp kam Anfang 2020 zum Tube Workshop. Ein alter PA-Verstärker der Firma Paul Bouyer aus Montauban in Frankreich. Ausgestattet mit einem trafosymmetrischen Line-Eingang ("Ligne") fällt speziell die geringe Leistung auf die nur aus einer einzelnen 6L6 Endstufenröhre erzeugt wird. Auch in der Vorstufe wird mit nur einer einzelnen 6J5-Triode sehr wenig Verstärkung erzeugt. Alles ist also darauf ausgelegt bereits vorverstärkte, niederohmige Signalquellen an Lautsprecher zu senden.

Die Idee war diesen kleinen Verstärker in einen "Bedroom"-Gitarren Amp zu verwandeln, da er eigentlich alle Voraussetzungen mitbringt die man dafür braucht.

Altersbestimmung

und Herkunft.

 

Tja, die Altersbestimmung war in diesem Falle ganz einfach, da wir Kontinental-Europäer ja sehr penibel damit sind alles gut zu Dokumentieren. Ein einfacher Blick auf das angebrachte Typenschild sagt, dass dieser Amp am 10.03.1958 gebaut wurde.

Nach Recherche im Internet denke ich, dass dieser Verstärker von Bouyer für die staatliche französische Eisenbahngesellschaft SNCF für Durchsagen entwickelt und gebaut wurde, da das Typenschild über die Überschrift "Amplificateur S.N.C.F" und ein entsprechendes Logo verfügt. S.N.C.F steht für "Société Nationale des Chemins de fer Français"

Interessant ist aber, dass das Logo auf dem Typenschild dem ersten SNCF-Logo entspricht, dass anscheinend nur bis 1947 Verwendung fand.

Letztendlich scheint es aber so zu sein, dass ein alter Verstärker mit dem früher Durchsagen in französischen Bahnhöfen gemacht wurden in Zukunft Gitarristen als "Bedroom-Amp" beglücken wird.

Ausgangslage

funktional aber makellos.

 

Der Verstärker war in einem makellosen, unverbasteltem und funktionsfähigem Zustand. Toll!

Wenn man über die richtigen Anschlusskabel verfügt, hätte man ihn wohl einfach einstecken können und es wäre Musik heraus gekommen.

Einen Schaltplan gibt es zu dem Verstärker natürlich nicht. Ok, das ist kein Problem... die Schaltung ist einfach genug dass wir diesen selbst anhand der Verdrahtung malen können.

Das Gehäuse aus Stahlblech mit Hammerschlagoptik gewinnt zwar keinen Designpreis und hat eher industrielles Flair, dafür ist es aber extrem praxistauglich aufgebaut. Mit nur 2 Schrauben kann die obere Klappe abgenommen werden um an die Röhren zu gelangen, mit 2 weiteren Schrauben kann eine Klappe am Boden abgenommen werden und man hat Zugriff auf die komplette Schaltung. Sehr clever und servicefreundlich gelöst, und perfekt passend für die ursprüngliche Anwendung als Durchsageverstärker in Bahnhöfen.

Die Schaltung ist freiverdrahtet, allerdings auf allerhöchstem Niveau. Während man bei anderen Amps oft ein Gestrüpp aus Bauteilen und Leitungen vorfindet herrscht hier quasi "militärische Ordnung" und es ist einfach ein Augenschmaus mit welcher Präzision und Liebe fürs Detail hier gearbeitet wurde. Das ist Handarbeit auf allerhöchstem Niveau dass mir bisher in ähnlicher Form nur in HiWatt Verstärkern begegnet ist. Großen Respekt vor Paul Bouyer und seinen Mitarbeitern!

Hier tat es schon etwas weh zum ersten Mal den Lötkolben anzusetzen und dieses Kunstwerk zu modifizieren. 

Auffällig ist, dass der 241x in seinem Bauteilemix sehr stark amerikanisch geprägt ist mit RCA und JAN Röhren und 2 Mallory Kondensatoren als Kathodenbias. Hier macht sich offensichtlich die stark durch die USA geprägte Zeit nach dem 2. Weltkrieg bemerkbar.

Als erstes stand also auf der Agenda die Schaltung des Amp zu analysieren und ein Schaltbild zu zeichnen. Dies braucht zwar etwas Zeit geht aber bei eine simpel aufgebauten Verstärker ganz gut von der Hand. Let's go-

Netzteil

eigentlich "Overdesigned".

 

Obwohl die Hochspannung nach der Gleichrichtung durch die 5Y3 Röhre unter Last "nur" ca. 285V beträgt wurde eine sehr aufwändige Filterkette mit in Serie verschalteten Kondensatoren und entsprechenden "Strapping-Widerständen" entworfen (um die Spannungsfestigkeit zu erhöhen) und zusätzlich eine Siebdrossel mit einer hohen Induktivität integriert (10H). Das ist mehr als Bullet-Proof!

Den Grund hierfür kann ich nur vermuten, gehe aber davon aus dass der Amp aufgrund seines Einsatzzwecks auf maximale Betriebssicherheit getrimmt wurde. In der Original-Verschaltung des Amps werden die Netzteil-Elko nur "schwach gefordert" und es kann auch mal einer "schlecht" werden ohne dass der Amp sofort seinen Dienst quittiert.

Übrigens ist der Netztrafo einer der "schönsten" die ich je gesehen habe.

Bei der Modifikation zum Gitarrenverstärker wurden aus Sicherheitsgründen sämtliche alte Elkos aus der Schaltung genommen, allerdings aus optischen Gründen im Chassis belassen. Im erneuerten Netzteil befinden sich Elkos von TAD mit 500V Spannungsfestigkeit, die auch ohne Serienschaltung und "Strapping" den Spannungen des 241x mehr als gewachsen sind.

Auch mit der 5Y3 Gleichrichterröhre die schnell hochfährt und es somit einen gewissen "Overshoot" geben kann bis alle anderen Röhren geheizt sind und leiten.

Die Filterung wurde insgesamt leicht erhöht, generell aber nahe an den Originalwerten belassen. Warum ich einen 3. Spannungs-Node für eine zusätzliche Verstärkerstufe eingeführt habe erfahrt ihr später.

Standby Schaltung

mit Fernbedienung. Fancy!
 

Im Original hatte der 241x eine recht aufwändige, und über einen entsprechenden Ausgang fernbedienbare, Standby Schaltung bei dem die Hochspannung für die Röhren über ein antiquiertes 20V Relais eingeschaltet oder abgeschaltet wird. Per Fernbedienung!

Dieses Design habe ich erst verstanden als der Einsatzzweck des Verstärkers für Durchsagen in Bahnhöfen klar wurde. Hier war es vermutlich von Vorteil alle verwendeten Verstärker zentral anschalten- oder in den Standby-Mode versetzen zu können.

 

Die generelle Schaltung wurde im Amp belassen.

Hierbei wird über eine separate Wicklung im Netztrafo eine Spannung von ca. 20V erzeugt und über einen frühen Selenium-Gleichrichter und einen Filterelko stabilisiert um das Relais steuern zu können. Eigentlich sollte man Selenium-Gleichrichter durch moderne Silizium Dioden ersetzen da sie gesundheitsschädliche Stoffe enthalten können. Ich habe mich entschieden den noch gut funktionierenden Selenium-Gleichrichter im Amp zu belassen (aus historischen Gründen). Ich werde aber niemals die Nase daran halten oder daran lutschen... ;-)

 

Die Fernsteuerung der Standby-Schaltung wurde durch einen klassischen Standby-Schalter auf der Amp-Rückseite ersetzt, aber die originale Schaltung mit dem Selenium-Gleichrichter und dem antiquierten, riesigen Relais befindet sich nach wie vor im Amp und tut ihren Dienst. Zwar antiquiert, aber irgendwie kultig und cool. Und das alte Relais hat so ein schönes "sonores" klicken...